Zumthor Präsentation

Zumthor Präsentation vor dem Bauausschuss

Peter Zumthor – Haus für einen Kunstverlag
Präsentation in der Paulinerkirche, 10. März 2016

Peter Zumthor: Ich glaube, es ist ungefähr ein Jahr her, da bekam ich die schriftliche Anfrage, ob ich in Göttingen ein kleines Gebäude machen würde. Und da stand geschrieben, dass es sich um ein Haus handelt, in dem Bücher gedruckt und verlegt werden und das auch bewohnt werden soll. Die Bauherren sind nicht eine anonyme Firma oder Betriebsgesellschaft, sondern zwei Menschen – zwei Familien. Und ich habe gedacht, klein aber fein, das könnte was sein!

Ich bin dann ins Gespräch mit der Bauherrin gekommen und habe mir die Situation vor Ort angeschaut und noch immer war kein Haar in der Suppe.

Ich habe mir die Stadt zum ersten Mal angeschaut – Ihre Stadt – und habe dann gesehen, dass diese Ecke natürlich sehr schwach ist. Also es ist nicht so, dass man denkt, da steht schon etwas Schönes, ich gehe wieder nach Hause, sondern eher, dass das schon was vertragen könnte an dieser Ecke.

Das Programm fand ich gut. Ich habe dann gelernt, dass es eigentlich ein Kunstquartier wird. Der Steidl Verlag ist mir bekannt, aber ich habe Gerhard Steidl noch nie kennengelernt.

Die Nachbarschaft war gut. Ich war ein bisschen enttäuscht von der architektonischen Nachbarschaft, aber der Inhalt – der Siebdruck und der Buchdruck ist weltberühmt und der war schön.

Und was Sie jetzt sehen, ist das was ich für Sie und die Stadt gerne machen würde.

Dieses Haus.

Dieses Haus wird aus Ziegeln gebaut. Das wichtige ist, dass es nicht eine Ziegelverkleidung ist und innen drin ist dann Beton oder sonst was, sondern dass es massiv aus Backstein gebaut ist. Und zwar auch das Dach. Fragen Sie mich jetzt nicht, wie ich ein Dach aus Backstein mache. Ich habe noch nie eins gemacht. Ich habe keine Ahnung. Es kann aber schon sein, dass ich das dann herausfinden werde.

Wenn man das Gebäude anschaut ist unten die Druckerei, ein Stock höher – ein Galeriegeschoss – die Verlagsarbeit. Wieder ein Stock höher ist Schlafen und zuoberst ist Wohnen.

Das ist ein einfaches, klares Programm. Was mich daran fasziniert ist, dass das was Künstlerisches und was Gewerbliches hat. Das passt nicht nur gut in die Stadt, sondern ist auch schön zu machen. Ich würde gerne ein Haus machen, das von seiner Nutzung und Funktion spricht und Außen nicht irgendeine extravagante Form hat. Modern will ich auch nicht sein. Gut möchte ich sein.

Das heißt, dieses Haus wird aus Backstein gebaut. Fenster wären Lochfenster, einzeln erkennbare Öffnungen, keine riesige Glasfläche. Ich weiß, manchmal ist Glas das Richtige. Hier denke ich, es wäre wichtig, einen schönen Körper zu formulieren: Richtiges Material, sichtbar als Material gebaut.

Städtebau: großes Wort, das die Architekten gerne in den Mund nehmen. Sie sehen selbst, was das Haus macht: Es verstärkt die Ecke. Sie wissen, dass viele Häuser, wenn Sie auf der Ecke stehen, sagen: Ich stehe an der Ecke! Und dann an dieser Stelle einen kleinen Turm, eine Verstärkung hinsetzen, das ist eine schöne städtische Tradition.

Sie wissen, dass es viele Städte gibt, die schön sind, weil alle Traufhöhen gleich hoch sind. Berliner Traufhöhen zum Beispiel. Aber es gibt Städte, wie man sieht, deren Qualität ist die Vielfalt. Deswegen haben wir dieses Modell gebaut, um zu sehen wie die Dächer variieren, die Volumen variieren. Trotzdem ist eine tolle Struktur sichtbar. Man erkennt die Hinterhöfe, die Überbauungen, man erkennt die Ränder, man erkennt die Quadrate der inneren Altstadt und wie es dann ein bisschen ausfranst zu den ehemaligen Gärten hin. Das heißt, in diesem Konzert der organischen Entwicklung möchte dieses Haus mitspielen, stolz und elegant an der Ecke.

Ich habe ein Gefühl wie das Haus innen ausschaut, aber ich habe keine Pläne. Da drüben können Sie nur die Pläne des Modells anschauen. Weil: Dieses Haus müssen Sie zuerst genehmigen, dann arbeite ich weiter.

Wenn Sie dieses Haus nicht wollen, dann wollen Sie es nicht. Die Bauherrschaft hat mir zwar angeboten, dass ich noch weiter arbeiten könnte, aber ich mache das nicht gerne, wenn es noch unsicher ist, ob Sie das überhaupt wollen. Wenn ich das Zeichen kriege, dass Sie dieses Haus wollen, dann arbeite ich gerne weiter.

OK.
Fragen?

Gast: Ich glaube es gibt keine großen Fragen. Wir möchten mit einem eindeutigen Signal sagen, dass wir Göttinger dieses Haus wollen!

(Applaus)

Baudezernent Thomas Dienberg: Ich würde trotzdem noch mal die Bauausschussmitglieder bitten. Ich sehe gar nicht so viele Mitglieder hier. Wohl aber nachher beim Bauausschuss, der gleich noch mal tagt. Der Aufforderung von Herrn Zumthor „sind noch Fragen“, sollten vielleicht einfach erst mal die Bauausschussmitglieder folgen. Wenn Fragen sind, sollten wir die Chance jetzt nutzen mit ihm ins Gespräch zu kommen, und ich glaube, alle anderen können dann gleich noch Fragen an Herrn Zumthor stellen.

Regine Rohmann: Herr Zumthor ich finde das toll, dass Sie das so gebaut haben, dass man es auch ertasten kann. Ich bin fast völlig blind und ich sage danke. Das machen nicht alle Architekten.

Hans Otto Arnold: Frage bezüglich der südlichen Baulinie an der Turmstraße: Das Mitglied des Ausschusses fragt: „Warum nur dieses Gebäude nach Süden auf den Bürgersteig gesetzt wird“?

Zumthor: Schauen Sie mal dort.

(Der Architekt zeigt auf die gegenüberliegende Nord-Ost Ecke Turm Str. / Nikolaistraße, an dem das Gebäude Nikolaistraße 27 genauso am Rande des Bürgersteiges steht. Der Entwurf für Düstere Str. 2 spiegelt die Baulinie des Gebäudes Nikolaistraße 27 und erfüllt so die städtebauliche Tradition, die Ecke zu markieren. Weiter zu beachten ist, dass schon seit mindestens 150 Jahren das Grundstück Düstere Str. 2 auf dieser südlichen Baugrenze gebaut wurde).

Hans Otto Arnold: Weitere Frage bezüglich der südlichen Baulinie und ob der von Zumthor vorgeschlagene Entwurf einen Präzedenzfall bei den zwischenstehenden Gebäuden Turm Str. 1–3 schaffen würden.

Zumthor: Da bin ich nicht zuständig. Ich bin zuständig für die Ecke. Und an der Ecke sage ich: So wie dort (zeigt auf die Ecke Turm-/Nikolaistraße), auch nach vorne gehen und die Ecke halten.

Horst Roth: Frage bezüglich des Eindrucks des Baukörpers vom Standpunkt eines Fußgängers. Das Mitglied des Ausschusses fragt, ob das Gebäude von der Straße aus massiver aussehen würde, als aus der Sicht von oben.

Zumthor: Erstens: Dieses Haus steht ganz genau auf seiner Parzelle.

Zweitens zum Baukörper: Wenn ich durch Ihre Stadt gehe, gibt es die Kleinen, die Mittleren und die Großen, die Stattlichen, die Schweren, die ganz Schweren und die Riesengroßen. Das ist Ihre Stadt. Und ich würde gerne einen Beitrag leisten an eine Architektur, die aus Material gebaut ist und eine gewisse Kraft hat. Die alten mittelalterlichen Städte – bei Ihnen, bei uns, überall in Europa – zeigen diese Präsenz des Materials. Haben Sie keine Angst. Angst, hat meine Mutter gesagt, ist ein ganz schlechter Ratgeber.

Sehen Sie da unten (Peter Zumthor zeigt auf das Modell). Ich bin vor zwei Stunden nochmals dort gegangen und wenn ich an dieser Stelle stehe – es gibt eine Biegung in die Gasse – wäre ich richtig froh, da vorne dieses Haus zu haben, sagen zu können: Das ist das Ende der Gasse. Und wenn ich da drüben stehe (Peter Zumthor zeigt auf das Modell), wäre ich froh, dass das Haus sagt: Da beginnt die Stadt.

Das Gebäude ist auf der eine Seite elegant und auf der andere Seite ist es wieviele andere Ihrer Häuser. Es entwickelt ein schönes Volumen. Da schauen Sie, was es da alles gibt (Peter Zumthor zeigt auf das Modell). Das ist die Stadt.

Gast: Ich würde sagen, das ist eine ganz problematische und schwache Ecke und was da jetzt für ein Bau steht, finde ich super! Das ist der Anfang von einer Architektur, die mal kommen kann.

Gast: Ich finde es erfreulich, ein Haus zu sehen mit Traufe und First. Leider sind die Neubauten in der Göttinger Innenstadt nur Kisten. Ich finde es sehr gut.

Zumthor: Es hat ein richtiges Dach. Es war meine erste Intuition, dass man hier an diesem Ort aus Backstein und ein schönes Dach baut. Und dann habe ich das Modell gebaut, den Ton gebrannt, und es handelt sich um Dächer. Diese Stadt handelt von Dächern.

Baudezernent Thomas Dienberg antwortet auf eine von Herrn Arnold gestellte Frage bezüglich des möglichen Verhältnisses des Zumthor Entwurfs zu dem zukünftigen Galeriegebäude in der Düsteren Str. 7, das noch nicht im Tonmodell steht. Um das Missverständnis über die voraussichtliche Dachstruktur des Galeriegebäudes aufzuklären, sagt Baudezernent Dienberg, dass bestimmt wurde, ein Flachdach nicht zuzulassen.

Zumthor: Es ist schon klar, das hat uns die klassische Moderne, nicht zuletzt in Deutschland erfunden, eingebrockt. Wir sind modern und modern heißt Flachdach aber in der Zwischenzeit sind wir ein bisschen reifer und älter geworden und wissen jetzt, manchmal flach und manchmal eben nicht.

Gast: Ich hätte nur eine Frage: Warum Ziegel? Es wäre ja anderes Baumaterial denkbar gewesen. Also typisch ist hier in der Innenstadt Fachwerk aber wie sind Siegerade auf Ziegel gekommen?

Zumthor: Nach einem Stadtrundgang ist mir in Erinnerung geblieben, dass der Backstein eine starke Präsenz hat und denke ich an Norddeutschland, denke ich an Ziegel. Und dann dachte ich an Fritz Höger in Hamburg und so weiter, all diese Norddeutsche Backsteinkultur und dann denke ich, dass ich gerne einen Beitrag dazu leisten würde – als Schweizer – mal schauen wie das ausgeht. Es ist nicht ganz falsch, oder?

Gast: Was für ein Ziegel wird das? Rote, Gelbe? Und das Format? Könnten Sie dasvorstellen?

Zumthor: Ja, die Nina Holland und ich haben eine Idee: Wenn Sie dieses Haus wollen, dann würden wir dieses Haus mit alten Ziegeln bauen wollen.

(Applaus)

Wir würden gerne Abbruchpartner werden. Denn so viele Ziegelbauten werden abgebrochen, die wir gerne verwenden würden und mit dem Material Geschichte und zeitgenössische Architektur verweben. Es ist vielleicht ein bisschen eine romantische Idee aber vielleicht machen wir das gut. Deswegen weiß ich nichts über das Ziegelformat und wenn Sie mich fragen wie es innen aussieht, muss ich Ihnensagen, dass ich ein Gefühl, aber eigentlich keine Ahnung habe. Aber wenn Sie „ja“ zu diesem Entwurf sagen, beginne ich weiter zu denken.

Gast: Ich habe das Gefühl, dass es hinterher ein bisschen wie ein alter Speicheraussieht, ja?

Zumthor: Wenn Sie das machen würden, würde es vielleicht wie ein alter Speicher aussehen. (Gelächter).

Gast: Sie wissen ja gar nicht, welchen Speicher ich meine. z.B. in Thorn gibt es wunderbare mit Backstein gebaute alte Speicher.

Zumthor: Ich wollte Sie nicht lächerlich machen. In Basel gibt es vom Architekten Bernoulli am Rheinhafen einen Backsteinspeicher. Wunderbar. Aber mein Ziel wäre natürlich, dass am Schluss das Haus nicht sagen würde Ich bin ein Speicher, sondern Ich bin das Haus für einen Kunstverlag an der Düsteren Straße Ecke Turm Straße. Das wäre das Ziel.

Gast: Ist die Fassadengestaltung im Erdgeschoss, wo die Druckerei reinkommt, reinäußerlich zu unterscheiden von den darüber liegenden Geschossen? Nach den Fensterschnitten, die sie vorhaben? Kann man von außen erkennen, dass unten die Druckerei ist und dass oben der Wohnbereich ist, oder bleibt das gleich, die ganze Fassade?

Zumthor: Das kann ich nur ungefähr beantworten. Das ist eine Architektenfrage. Hat es eine städtische Anonymität oder hat es eine klassische Gliederung in Sockel, Mittelpartie und oberen Abschluss. Ich glaube es wird so was haben, dass man das Unten und die Mitte und Oben auch in den Fenstern erkennen kann. Obwohl ich manchmal denke, ich würde gerne – meine Söhne sagen: „Bau mal ein einfaches Haus mit normalen Fenstern.“ Was dann aber heißen würde, dass in dieser Anonymität, was die Städte an sich häufig haben, die Fenstertypen einfach durchgezogen würden. Das glaube ich, wäre es eher nicht. Ich glaube, ich würde gerne ein bisschen zeigen was Unten, Mitte und Oben ist, was da geschieht. Mit vornehmer Zurückhaltung, nicht dick aufgetragen.

Gast: Wird in dem Gebäude auch gewohnt?

Zumthor: Ja, die oberen zwei Geschosse sind zum Wohnen. Das ist klassisch, Wohnen und Arbeiten in einem Haus: Drucken, Verlegen, Schlafen, Wohnen. Wenn eine Stadt ein Wunschprogramm für die Entwicklung der Altstadt schreiben würde, hätte sie sicher gerne Gewerbe. Ein anständiges, vielleicht künstlerisches Gewerbe. Und dass man da auch wohnt, um Ansammlungen von kleinen Wohnungen zu vermeiden. Mit Nina Holland und Jerry Sohn habt ihr, finde ich, einen Glücksfall, dass jemand so was machen will in der Stadt.

Gast: Frage zu der Dachform. Bleibt sie in ihrer Schlichtheit und Klarheit in Ihre Vorstellung so erhalten oder wird es Giebelchen und Erkerchen geben?

Zumthor: Ich liebe Dächer. Und was ich an diesen Dächern liebe ist die große, ruhige Fläche. Sie sehen das Dach (Peter Zumthor zeigt auf das Dach im Modell)? Im Barock hatte man die Möglichkeit, mehrere Reihen Dachaufbauten zu machen. Wenn die Dächer groß sind, unten ein bisschen höhere und oben ein bisschen kleinere, das kennen wir von alten Gebäuden. Die sind dann aber nicht zu vergleichen mit Dachaufbauten, die überall rausdrücken. Es kann schon möglich sein, dass da oben ein, zwei, drei, vier sorgfältige Dreiecke erscheinen, das Licht kann schön sein.

Gast: Das Wohnen wird ja auch unter dem Dach sein. So wie Sie das sagen, muss ja Licht rein.

Zumthor: Ja, genau.

Gast: Sie sagten ein Ziegeldach, Sie meinten jetzt aber Dachziegel?

Zumthor: Nein, ich meinte richtige Backsteine. Das ist ein bisschen eine naive Vorstellung, aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung, wie wir das machen können. Aber die Idee wäre einen richtigen Körper aus gebranntem Ton zu bauen, so dass es von außen eine schöne Kraft hat und im Inneren diesen Hohlraum, wie man es von einem Tonkrug kennt. Sieht ein bisschen wie eine romantische Architektenidee aus, aber ich versuche in diese Richtung zu gehen.

Gast: Warum keine Dachziegeln?

Zumthor: Ich würde auf jeden Fall ein wasserdichtes Dach anbieten.

Bei der vorvorvorletzten Documenta in Kassel hat der Dänische Künstler Per Kirkeby Backsteingebilde gemacht – groß. Und die waren alle aus Backstein, auch das Dach. Das heißt, er wollte, dass das wie eine Skulptur als Einheit wirkt.

Gast: Aber es ist ein Haus und nicht eine Skulptur, ich habe noch nie ein gemauertes Dach gesehen.

Zumthor: Ich auch nicht. Ich mache viele Dinge, die ich vorher noch nicht gesehen habe. Ich kann nicht einfach wiederholen was schon war, oder? Ich muss beides machen, ich muss gewisse Dinge sehen und aufnehmen aber ich muss sie dann auch neu interpretieren. Hat dann ein bisschen mit Kunst zu tun, in diesem Fall mit Baukunst. Ich versuche es, ich sage nicht, dass ich ein Künstler bin.

Gast: Kolumba und die Bruder Klaus Kapelle, da haben Sie mit bodenständigen Materialien gearbeitet. Weiß nicht was dann hier in Göttingen dabei rauskommen wird, aber ich bin jedenfalls sehr gespannt, es zu erleben!

Zumthor: Danke.

Gast: Wird das eine Treppe haben oder wird der Eingang ebenerdig?

Zumthor: Ebenerdig.

Gast: Gut. Sehr schön. Ja in der heutigen Zeit sehr sehr richtig. Auch im demographischen Wandel gibt es sehr viele Ältere.

Zumthor: Das stimmt. Sie haben absolut Recht.

Gast: Die Lücke an der Ostseite zur Turmstr. 1 ist relativ schmal. Planen Sie dann Fenster in der Ostwand?

Zumthor: Wenn das so bleibt, dann ganz kleine und nur oben, aber es ist nicht unbedingt notwendig. Also die Frage liegt bei den Behörden. Wie ist die Rechtslage und dann machen wir das so wie es das Gesetz zulässt. Große Aussichtsfenster werden wir nicht auf dieser Seitenfassade des Gebäudes machen. Haben Sie was mit dem Nachbargebäude zu tun?

Gast: Ja.

Zumthor: Ja eben. Vor was haben Sie Angst? Jetzt ist die Zeit, die Angst zu formulieren.

Gast: Im Nachbargebäude sind Richtung Westen Fenster und wenn Sie auf der Grenze bauen, wird das relativ eng für die Leute, die da Fenster haben. Sie bekommen weniger Licht ab, und gucken dann entweder in andere Fenster oder auf eine Wand.

Zumthor: Da haben alle Behörden und alle europäischen Altstädte ein Problem, oder? In den Altstädten sind die Häuser aneinander gebaut. Das wäre eigentlich die Regel. So baute man in der Altstadt. Dann geschieht es aus irgendwelchen Gründen, dass das mal nicht so ist und dann hat es natürlich sofort Fenster. Und wenn die Stadt dann sagt, ja, gut aber jetzt wollen wir aber doch wieder mit der Regel anfangen, ist diese Aufgabe für die Stadt nicht leicht. Weil, wenn die Fenster mal da sind, will man das nicht mehr ändern.

So war es auch bei der Küche meiner Mutter, 30–35 Jahre lang. Da kam ich dann später mal hin und da hat doch tatsächlich jemand ein Haus zwischen dem Kirchturm und der Küche meiner Mutter gebaut. Und es war nicht mehr möglich, wie in meiner ganzen Jugend, auf die Turmuhr zu schauen. Das hat mich brutal geärgert. Ärgert mich heute noch.

Baudezernent Thomas Dienberg: Ich bin gefragt worden: „Für dieses kleine Haus so ein großes Modell?“ Ja das kann man sich vielleicht fragen, aber Sie haben das ganz deutlich gemacht, Herr Zumthor, dass es einfach wichtig ist. Es sind zunächst ganz simple Fragen: Nämlich die Kubatur, die Bauhöhe und Dachform. Diese sind die einzigen Fragen, die es zu entscheiden gibt. Alles weitere, Fenster, Fassadengestaltung ist irgendwann nachher dran. Die Aufgabe hat Herr Zumthor gerade aus seiner Sicht klar formuliert. Das ist etwas, was Bauherrin Nina Holland und der Architekt bauen möchten. Die Politik, die Stadtverwaltung muss an dieser Stelle die Entscheidung treffen. Das ist die Aufgabe, das haben wir jetzt verstanden und das nehmen wir jetzt mit.

Gast: Ein schönes Exponat für das zukünftige Stadtmuseum.

Zumthor: Vor zwei Wochen, als das Modell noch bei mir stand, kam Sam Keller, der Direktor der Fondation Beyeler in Basel. Er war da und sagte: das ist das schönste Kunstwerk, das ich seit langem gesehen habe.

OK. Wenn Sie das wollen, uns würde es freuen, wir werden uns Mühe geben, dass Sie auf dieses Ding stolz sein können. Vielen Dank.